„haben" oder „sein"

„Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage .." (Hamlet)

Die meisten Verben bilden das Perfekt mit „haben", aber es gibt eine ganze Reihe von Verben, die das Perfekt mit „sein" bilden: laufen, gehen, kommen, aufwachen, einschlafen, werden etc.

Die Regel dafür ist:

Im Folgenden sehen wir uns diese Regel Schritt für Schritt an.

Was bedeutet „Akkusativergänzung"?

Ein Verb beschreibt immer eine Aktion, eine Handlung, einen Prozess oder, einfach gesagt, eine Situation.

Wir können Situationen in Gruppen oder „Prototypen" teilen, zum Beispiel:

Gruppe 1: lieben, kaufen, sehen, nehmen, lernen etc.

Die Situationen in dieser Gruppe haben immer 2 „Parteien“: Die erste Partei macht etwas. Sie liebt, kauft, sieht etc. Man nennt diese Partei auch das Subjekt des Satzes. Aber wir brauchen immer noch eine zweite Partei. Ohne die zweite Partei sind die Situationen nicht komplett. Und im Deutschen markieren wir diese zweite Partei mit dem Akkusativ.

Mit anderen Worten: Die Verben in Gruppe 1 brauchen immer einen Akkusativ - und das bezeichnen wir als Akkusativergänzung.

=> Akkusativergänzung sagen wir bei Verben oder Situationen, die ohne diese Ergänzung nicht komplett sind.

Gruppe 2: geben, erklären, zeigen etc.

Die Situationen in dieser Gruppe haben immer 3 „Parteien", zum Beispiel:

„Gibst du mir bitte den Stift?" => Eine Partei gibt (du), eine Partei wird gegeben (der Sitft), eine Partei bekommt den Stift (ich). Im Deutschen markieren wir die zweite Partei wieder mit dem Akkusativ, und die dritte Partei mit dem Dativ.

Mit anderen Worten: Die Verben aus Gruppe 2 brauchen immer eine Akkusativergänzung und eine Dativergänzung.

Welche Verben haben keine Akkusativergänzung?

Gruppe 3: schlafen, arbeiten, stimmen, lachen etc.

Hier gibt es nur eine „Partei": „Die Katze schläft." „Ich arbeite." „Das stimmt!"

Natürlich können wir bei diesen Situationen noch nach weiteren Infos fragen: Wie lange? Wann? Wo? Warum? Aber die Situationen sind auch ohne diese Infos komplett.

=> keine Akkusativergänzungen

Gruppe 4: gehören, gefallen, passen etc.

Hier gibt es zwei Parteien, aber die zweite Partei ist eine Dativergänzung:

„Das Fahrrad gehört meinem Freund."

„Dieses Bild gefällt mir nicht."

„Die neuen Schuhe passen mir sehr gut."

=> keine Akkusativergänzungen

Gruppe 5: laufen, kommen, fahren, einsteigen etc.

Hier gibt es nur eine „Partei". Diese Partei läuft, kommt, fährt, steigt ein etc.

Trotzdem sind die Situationen noch nicht komplett, denn wir brauchen noch Infos wie „Wo?", „Woher?" oder „Wohin?": Wo läufst du? Woher kommst du? Wohin steigst du ein? etc.

Die Verben brauchen also noch Informationen wie „im Park", „aus Belarus", „in die S-Bahn" etc. Auch diese Infos nennen wir Ergänzungen.

=> Aber es sind keine Akkusativergänzungen!

Bewegung, Entwicklung, Zustandsveränderung

Wir haben gesehen: Es gibt viele Verben ohne Akkusativergänzung.

Manche haben sowieso nur ein Subjekt, manche haben ein Subjekt und eine Dativergänzung, manche haben ein Subjekt und irgendeine andere Ergänzung, aber alle haben keine Akkusativergänzung:

Manche von diesen Verben bezeichnen eine Bewegung, Entwicklung oder Zustandsveränderung. Und das sind die Verben, die das Perfekt mit „sein" bilden.

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Übung: Lesen Sie die folgenden 20 Verben:

arbeiten, atmen, aufstehen, ausruhen, brennen, einkaufen, einschlafen, helfen, husten, kommen, leben, liegen, lügen, passieren, schlafen, schwimmen, sterben, umziehen, wohnen, zuhören

7 von diesen Verben bezeichnen eine Bewegung, Entwicklung oder Zustandsveränderung und bilden das Perfekt mit „sein".

Was glauben Sie: Welche Verben sind das?

Klicken Sie auf das Bild, um Ihre Antwort zu kontrollieren!         =>


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Es gibt noch ein paar Verben, die beide Kriterien erfüllen (keine Akkusativergänzung und Bewegung/Entwicklung/Zustandsveränderung), aber das Perfekt trotzdem mit „haben" bilden, zum Beispiel:

anfangen -> „Wann hat der Deutschkurs angefangen?"

beginnen -> „Der Deutschkurs hat um 10 Uhr begonnen."

Zusammenfassung

1) Die erste Frage ist IMMER: Hat das Verb eine Akkusativergänzung?

Wenn es eine hat, bildet es das Perfekt mit „haben".

Übrigens: Das „sich" bei reflexiven Verben wie sich freuen, sich kümmern, sich interessieren etc. ist in diesem Kontext auch eine Akkusativergänzung.

2) Nur wenn das Verb keine Akkusativergänzung hat, überlegen wir: Ist es eine Bewegung, Entwicklung oder Zustandsveränderung?

=> Dann bildet es das Perfekt mit „sein".

3) „sein" und „bleiben" sind Ausnahmen: Sie haben keine Akkusativ-ergänzung, und sie sind das absolute Gegenteil einer Bewegung oder Entwicklung. Trotzdem bilden sie das Perfekt mit „sein".

4) „anfangen" und „beginnen" sind auch Ausnahmen: Sie haben keine Akkusativergänzung und drücken eine Entwicklung bzw. Zustandsverände-rung aus, aber sie bilden das Perfekt trotzdem mit „haben".

Weitere nützliche Links

Mit diesen Onlineübungen können Sie den Unterschied zwischen sein und haben beim Perfekt noch einmal üben und wiederholen: